Motivation 3.0 oder Was lehrt uns Tom Sawyer
7. Juni 2011 von Thomas Hartung
Daniel H. Pink, der Ex-Redenschreiber von US-Vize Al Gore, hat (schon im Herbst) ein Buch vorgelegt, das es in sich hat. Quintessenz: nach der Befriedigung von Grundbedürfnissen (Essen, Schlafen, Sex – Motivation 1.0) und der Befriedigung materieller Bedürfnisse (extrinsische Anreize als Belohnung – Motivation 2.0) sollten wir bei Strafe des Untergangs unser Heil in der Motivation 3.0 suchen – Sinnmaximierung statt Gewinnmaximierung. Das klingt so visionär wie es geschrieben ist – und ist in Pinks Logik absolut nachvollziehbar. Worum geht es?
Klassische „Wenn-dann“-Anreize (Wenn du das gut machst, dann bekommst du 1000 $, machst du es besser, 5000) seien kurzfristig für einfache, regelbasierte Arbeit sehr geeignet, denn dabei ist keine große Kreativität gefragt. Aber sie hätten langfristig einen zersetzenden Effekt: sie bremsen den Eigenantrieb, der durch den Sinn der Arbeit entsteht, mindern Leistungsbereitschaft und Kreativität. Stattdessen ermuntern sie zu unethischem Verhalten, schaffen Abhängigkeiten und stärken das kurzfristige Denken. Aber Quartalszahlen zu erreichen sei nicht sinnstiftend. Solche Zwecke aktivieren nicht jene Energie, die Menschen dazu bringt, Großartiges zu leisten.
Da haben wir nicht nur eine Erklärung für Dotcom-Blase und Finanzkrise, sondern eine Lösung gleich mit. Ich erinnerte mich an Tom Sawyer (prompt folgte das Beispiel auch im Buch), der missgelaunt einen Zaun streichen sollte, weil es eine sinn-lose Arbeit war, die er nicht mochte. Findig kam er auf die Idee, diese Arbeit als Privileg zu präsentieren, das Spaß und Erfüllung bringt – und hatte sofort seine Helfer, die ohne Belohnung zu streichen begannen. Wie sehr das auch heute noch funktioniert, erweist sich seit 1995 am Beispiel von „Wikipedia“: die Enzyklopädie hätte Microsofts kommerzielle Enzyklopädie „Encarta“ nicht verdrängt (2009 wurde sie vom Markt genommen), wenn ihr Produktionsprinzip ein anderes gewesen wäre.
Das menschliche Bedürfnis nach Autonomie wird laut Pink von veralteten Management-Ideen untergraben, die aus wissbegierigen Menschen, die nach Sinn suchen und sich verwirklichen wollen, Menschen machen, die nur nach Geld und äußerer Anerkennung streben. Das seien die Programmierfehler im heutigen gesellschaftlichen Betriebssystem, die nach einem Upgrade verlangen. Die erstgenannten Verhaltensweisen machten uns gesünder, glücklicher und auch leistungsfähiger – wir konzentrierten uns auf die Arbeit und nicht darauf, wie man an einen Bonus kommt.
Das fast revolutionäre Credo: „Das Thema Geld muss vom Tisch, dann setzen Menschen sich selbst Ziele, wie sie besser werden.“ Klingt gut; auch Norbert Blüm hatte das jüngst für Deutschland bekräftigt: Teilhabe an der Arbeitswelt allein für sich sei kein Selbstzweck. Nur – wie ist das Thema „vom Tisch“ zu bekommen, wenn es doch in den derzeit entscheidenden Köpfen die Hauptrolle spielt?
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