Lügenpresse? Nein, manipulative Presse!
27. November 2015 von Thomas Hartung
Wie unsäglich erbärmlich die Presse manipuliert, ist an dieser von der SäZ abgedruckten Agenturmeldung nachzuvollziehen:
A) Die Schlagzeile suggeriert etwas Positives, einen Erfolg. Das Gegenteil ist richtig: mehr als 75 % werden eben NICHT übernommen.
B) Dieser Fakt findet sich überdies am Ende der Agenturmeldung – nach journalistischem Pyramidenprinzip (lernt man das eigentlich noch?) dort, wo das Unwichtigste, Weglassbare steht. Hier wurde dramaturgisch eine Nebensächlichkeit zur Hauptsache umgeschrieben.
C) Gerechtfertigt wird Zeitarbeit, weil man „im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen“ müsse und „auf ein flexibles Personalmanagement angewiesen“ sei. Diese Begründung nimmt die Globalisierung der Wirtschaft als alternativlos und befestigt damit außerdem die Spaltung einer Wirtschaftssphäre, in der der Einzelne nichts zählt, von einer Sozialsphäre, die nichts als wirtschaftsdienliche Individuen bereitstellen soll. Zum Glück gibt es die AfD, deren sächsischem Landtagswahlprogramm der Satz „Die Wirtschaft muss dem Volke dienen“ eingeschrieben ist.
D) Zusammenhangslos wird „berichtet“, dass zwischen 2007 und 2014 die Zahl der neueingestellten Zeitarbeiter die aller Beschäftigten um mehr als das Doppelte übertraf (9,4 % vs. 4,6 %). Das bedeutet: der Trend zur Zeitarbeit wird als normal angesehen und bleibt uneingeordnet.
E) Der Satz „Im IHK-Bezirk Chemnitz beschäftigen 19 Prozent der Unternehmen Zeitarbeiter.“ bedeutet, dass bereits ein Fünftel der Arbeitgeber sich dieser lohn- und gehaltsmäßig angenehmen Alternative bedient. Andererseits wissen wir: 18,9 Prozent der Menschen in Sachsen lebten schon 2012 unterhalb der Armutsgrenze, ebenso wie ein Fünftel aller sächsischen Kinder. Offenbar sollen wir mit der Zumutung leben lernen, dass mindestens ein Fünftel unserer Mitbürger für die „Zivil-“, „Stadt-“ oder sonstige Konstruktionen von „Gesellschaft“ dauerhaft verloren ist, während ein anderes Fünftel mit den Verlorenen tun und lassen kann, was es will. Thukydides hatte in seiner „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“ das Verhalten der Athener mit einfachen klaren Worten beschrieben:
Dieses Staatswesen ist unheilbar krank.
Und die Staatsmedien sind nicht etwa das Antibiotikum geschweige der Chirurg. Nein, sie sind der unsterile OP-Saal.