ASA-Editorial 28-2017
22. August 2017 von Thomas Hartung
Wir sollten über unsere Wahlplakate nachdenken. Oder besser darüber, warum die Ideologisierung unserer Gesellschaft (um nicht Verblödung zu sagen) an der Resonanz auf jene bestens beweisbar ist.
So hat im Juni der jüdische Autor Shahak Shapira fünf Plakate in Bildmontagen „ironisch optimiert“, wie er behauptet, darunter auch das Motiv „,Burkas?’ Wir steh’n auf Bikinis“, das im Vordergrund die halbnackten Rückseiten dreier junger Frauen zeigt. Shapira nun zeigt Björn Höcke, wie er zu dem Slogan ein Kalenderfoto von Hitler im Bikino präsentiert. Donnerwetter. Der Tweet hatte sage und schreibe 728 Likes und 14 Kommentare. Frauke Petrys Wahlplakat-Posting auf Facebook schaffte immerhin die siebenfach Like- und 25fache Kommentarzahl…
Dann hat Rostocks Gleichstellungsbeauftragte Brigitte Thielk dieses Motiv als „sexistisch und fremdenfeindlich“ kritisiert und die Landeswahlbeauftragte und den Bundeswahlbeauftragten ersucht, die Plakate abhängen zu lassen, weil sie dem Bekenntnis der BRD zu den Menschenrechten, Artikel 1 des Grundgesetzes, widersprächen. Wohlbemerkt, in einer Küstenstadt mit nahen FKK-Stränden. Während nicht nur die AfD, sondern auch die CDU Thielks Forderung zurückwiesen, haben sie SPD und Bürgerschaftspräsident dagegen unterstützt.
Dass Thielk der Kommentar der Landeswahlleiterin, wonach der Inhalt der Plakate nicht gegen Strafgesetze verstößt, „nicht befriedigt“, legt den Schluss nahe, dass sie ihr eigenes Recht durchsetzen und der Demokratie aufzwingen will. Offenbar findet sie Vollverschleierung gut und hätte lieber Burkas gesehen – eine entsprechende Verballhornung bereits aufgesteller Palakte legt das nahe. Wie aber kann man in derselben Republik einerseits so prüde und verklemmt sein, Frauen in Bikinis für sexistisch zu halten, und andererseits zugleich die Frühsexualisierung von Kindern in den Schulen einzuführen?
Die SPD Berlin-Pankow kleidete ihren Internet-Protest zu dem Motiv in den Kalauer „Lieber ein Eis in der Hand als Populisten am Strand“. Kein Gedanke mehr an den nackten Parteikollegen Thomas Krüger („Eine ehrliche Haut“). Über ein Plakat der Grünen in Kaarst, das unter dem Slogan „Der einzige Grund, schwarz zu wählen“ zwei hellhäutige Frauenhände auf dem Hintern eines offenkundig negroiden Mannes zeigt, hatten sich nur wenige so medienwirksam aufgeregt. Auch das Plakat der JU Wittmund mit dem Slogan „Wir gehen tiefer“, auf dem zwei Hände in den Slip einer Frau greifen, schlug kaum Wellen.
Gleich die ganze Plakatlinie aufs Korn nimmt die „Travestie für Deutschland“ (TfD) – ein Berliner Kunstprojekt, das „die Ästhetik der Partei nutzt, um sie gegen sie zu wenden“, wie es heißt. Statt des roten, nach oben rechts gerichteten geschwungenen AfD-Pfeils prangt ein roter Stöckelschuh im Bild: denn als Protagonisten treten ausschließlich Transen („Drag-Queens“) auf. Das Motiv „,Burka?‘ Ich steh mehr auf Burgunder!“ bspw. kontert eine Gisela Sommer mit „Sauft euren Scheißburgunder doch alleine“, um dann kleingedruckt zu verkünden, dass sie lieber Sekt trinkt. Mehr Dummheit war selten.
Die Kollegen der blaugelben Merkel-Anbiederungspartei dagegen kritisierten gar nicht erst, sondern anerkannten gleich die Richtigkeit unserer Politik und plagiierten schamlos. Mit dem unverschämten Untertitel „Denken wir neu“ inszeniert sich FDP-Chef Lindner mit dem geklauten AfD-Slogan „Einwanderung braucht klare Regeln“. Ich traute der Bübchenunkultur ja viel zu, aber solch erbärmliche Wendehälsigkeit dann doch nicht. Ein gnadenloser Plakatkonter auf die FDP-Meile an der A 4-Abfahrt Hellerau/Radeburger Straße durch mich und Kreisvorstand Arndt Noack war die Folge.
Überhaupt: Plakat-Konter. Seit dem anfangs verregneten Wochenende darf nun auch der größte sächsische Kreisverband plakatieren. Mit wechselndem Erfolg: während aus Cotta, Wilschdorf oder den Hellerbergen kaum Verluste gemeldet wurden, sah das in Mickten und Altstadt leider anders aus. Und dem Team Jürgen Schulz/Reinhardt Günzel wurden gar 11 Plakate von einer Zecke buchstäblich unterm Hintern weggeklaut – zum Glück ohne Verletzung für unsere beiden wackeren Wahlkämpfer. „Weiß Gott, es sind uns nicht alle Mitmenschen wohlgesonnen“, resümierte der Dresdner Kreischef, und das meint auch
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Thomas Hartung
Stellv. Landesvorsitzender