„dann muss geholfen werden“
12. September 2019 von Thomas Hartung
Der Antje Kunstmann Verlag München hat mit „Käpt*in Rakete” jetzt einen realitätsfernen Indoktrinationshöhepunkt der Kinderliteratur verlegt. Wer eigene Kuschel- und Haustiere im Kinderzimmer gleichsetzt mit sogenannten „geflüchteten Menschen auf dem Mittelmeer“, wie es die Autoren tun, muss sich schon fragen lassen, ob er die richtige Pille eingeworfen hat. Aber ein Verlag, der diesem Unsinn auch noch ein Podium bietet, ist mindestens als verantwortungslos, ja infantil zu kritisieren.
So muss das – auch noch genderbesternte – Mädchen bei Unwetter ihren Teddybären retten, der in der Regenrinne zu ertrinken beginnt, sowie ihren Hund Bernhard, dem im Garten die Hütte wegzuwehen droht, anstatt in der Küche duftende Pfannkuchen zu futtern. So heißt schüttelreimend:
„Kapuze auf und Stiefel an,
so kämpft sie mutig sich voran.
Der Bollerwagen, in der Not,
wird so ganz schnell zum Rettungsboot.”
Im Buch heißt Salvini übrigens Saltini und ist ein miesepetriger Kater, der sich dem Rettungsbollerwagen in den Weg stellt. Die vorgebliche Botschaft, dass sich auch Kinder einbringen könnten, „wenn etwas schief läuft“, sich gegen „Missstände engagieren“ und „die Welt ein kleines bisschen besser machen“, wie Björn Trautwein in der BZ befindet, reduziert rationale Politik auf das Kinderzimmerniveau aktionistischer Handlungen im Namen einer universalistischen Hypermoral, für die man sogar gern seine Grundbedürfnisse vernachlässigt. Dass damit nicht nur Asylbewerber mit Wirtschaftsflüchtlingen und Terroristen in einen Topf geworfen werden, sondern auch das vorgebliche Retten mit dem Straftatbestand des Schleppens, ja das eigene Land das ferne Meer umfassen und Fluchtursachen von Klima bis Krieg ebenso ungewichtet wie unerwähnt bleiben sollen, wird in dieser sozialistisch-absurden Gleichmacherei völlig ausgeblendet.
Dass diese Gleichmacherei weithin akzeptiert ist, beweisen nicht nur die vielen hämischen Kommentare unter einem kritischen, aber verkaufsfördernd interpretierten Text der AM Sachsen, auf dem dieser Essay fußt, sondern auch, dass die Seite „Volksverpetzer“ unter allen „Fans“ der AM-Seite, die diesen Beitrag liken, teilen und mit dem Hinweis kommentieren, dass sie dabei mitmachen wollen, fünf Freiexemplare des Buchs verlost.
Dabei ist bemerkenswert, dass die Buchautoren anonym bleiben wollen und nur maskiert an die Öffentlichkeit treten. Es handelt sich um die „Hooligans gegen Satzbau“ (das gekaperte „HoGeSa“), die zu feige sind, mit ihrem Gesicht für ihre totalitäre Zwangsbeglückung einzustehen, die sie „selbstverständlich“ nennen: „Ist jemand in Not, dann muss geholfen werden.“ Nun hat mit verdrehten Welten schon Monty Python in den 1970ern für Lacher gesorgt. Dieses Machwerk ist jedoch nicht von irgend einer Spaßguerilla als Volksbelustigung gedacht, sondern im Gegenteil von einer linken Propagandaguerilla als didaktisches Werkzeug zur realitätsblinden Emotionalisierung der Jüngsten – und ihrer Eltern, die ihnen das vorlesen sollen. Selbst Bundespräsident Gauck musste bereits im Oktober 2015 zugeben: „Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich“.
„Geist der Solidarität“
Das Buch steht damit in der Tradition einer ganzen Reihe volkspädagogischer Medienprodukte, die den Bürgern, koste es was es wolle, nicht nur die vorgebliche Seenotrettung, sondern auch die Aufnahme hunderttausender minderqualifizierter Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund als alternativlosen Humanismus schmackhaft machen und zugleich deren Gegner als rechtsextreme Menschenfeinde brandmarken wollen. Neben dem ARD-Degeto-Machwerk „Aufbruch ins Ungewisse“, angelehnt an Janne Tellers Jugendbuch „Krieg. Stell Dir vor, er wäre hier“, waren das etwa Martin Schäubles holzschnitthafte Soldatendystopie „Endland“ oder Christian Linkers NPD-Jugendkrimi „Der Schuss“, aber auch die KiKa-Reihe „Schau in meine Welt“.
Es verwundert nicht, dass jüngst gerade die in die Schlagzeilen geriet: war im Januar 2018 „Malvina, Diaa und die Liebe“ noch die Vorzeigebeziehung zwischen einer Deutschen und einem Ausländer, hat sich jetzt Malvina wieder gemeldet – mit einem verstörenden Poetry-Slam-Text, der mit den Worten „Danke, Vergewaltiger“ endet. Von Hilferuf über Traumaverarbeitung, Mädchenfantasie oder Exempel eines Stockholm-Syndroms bis bedauerliches Opfer der Willkommensideologie reichten die Mutmaßungen. Zwar habe Malvina laut HR versichert, dass das Gedicht Fiktion und der Inhalt erfunden sei. Doch nicht nur Alexander Wallasch meldet auf Tichys Einblick berechtigte Zweifel an: „So etwas erwartet man in Therapiesitzungen, wenn Vergewaltigungsopfer ihre Qualen in einem langwierigen Prozess verarbeiten.“
Andere zumal für Kinder gemittelte Texte waren unter dem Rubrum von „Einfühlung“, „Mitgefühl“ oder „Empathie“ – die Literaturwissenschaft spricht von „kognitiver Perspektivenübernahme“ – etwa Claude Dubois‘ „Akim rennt“ oder Francesca Sannas „Die Flucht“, in der die kindliche Protagonistin beim Anblick von Vögeln sagt:
„Sie sind unterwegs wie wir. Auch ihre Reise ist lang, doch für sie gibt es keine Grenzkontrollen. Ich hoffe, eines Tages anzukommen wie diese Vögel. In einer neuen Heimat, wo wir in Sicherheit sind und neu anfangen können.“
Lukas Ruegenberg und Christel Neudeck beschrieben mit „Khalil – Die Flucht aus Syrien“ gar nach einer wahren Geschichte die Odyssee eines Jungen über das Mittelmeer und die Balkanroute bis nach Deutschland. Nicht nur, dass Rainer Maria Kardinal Woelki ein Vorwort beisteuerte, zu allem Übel werden auf dem Titelbild ausschließlich schwache Kinder, Frauen und Familien auf der Flucht gezeigt, dafür aber keine starken, wehrhaften jungen Männer, die der Realität entsprächen. „Dieses Werk dient nicht zur Aufklärung, sondern soll auf plumpste Art eine ideologische Indoktrinierung der Kinder ermöglichen“, rezensiert auf Amazon ein Leser.
Da verwundert nicht mehr, dass vom Verkaufspreis von „Käpt*in Rakete” in Höhe von 10 Euro prompt ein Euro an die Organisation Sea Watch gehen soll – mit „Kapitänin Rackete“. Nach deren Festnahme riefen die ZDF-Komiker Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf zu Spenden für Sea Watch auf. Die Sammelaktion der Moderatoren ging Anfang August zu Ende – mit einem siebenstelligen Betrag. An Bord des Kahns war nicht nur ein NDR-Team, das rein zufällig den inkriminierten Rettungseinsatz live begleitete, sondern auch noch Rapper „2Nasty“, der mit den „notleidenden Flüchtlingen“ ein Musikvideo drehte. Sea-Watch-Pressesprecher Chris Grodotzki rechtfertigte das Singen und Tanzen der teilnehmenden Personen
„als Ausdruck ihrer Selbst, auf dem Schiff aus freien Stücken und von sich aus eingebracht, … weil sie den Geist der Solidarität an Bord unseres Schiffes sichtbar machen und die Stärke und Würde der Menschen viel besser darstellen als ein einseitiger Foto-Stream von Traurigkeit und Verzweiflung“.
Der Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg sprach in der FAZ von einem unauflösbaren moralischen Dilemma, verursacht durch die permanente moralische Erpressung von kriminellen Schleuserbanden: „Wenn Rettung aus Seenot die Eintrittskarte nach Europa ist, dann werden Menschen sich ohne Ende in vorgeplante Seenot begeben.“ Doch wer auf diese erpresserische Unmoral mit organisierten „Rettungsmissionen“ reagiert, macht sich de facto zum Komplizen der Schleuserbanden, erkannte Björn Schumacher in der Jungen Freiheit. Denn niemand käme auf die Idee, „nachts am Berliner Kurfürstendamm vorsorglich Rettungshubschrauber und Krankenwagen zu stationieren, weil dort hin und wieder illegale Autorennen veranstaltet werden.“
„menschenrechtlicher Imperativ“
23.000 seit 2013 im Mittelmeer ertrunkene Menschen haben einen furchtbaren Preis für ihren naiven Traum vom Leben im gelobten Land bezahlt. Die meisten Toten waren junge Männer, keine Flüchtlinge im Sinne des Art. 16a GG oder der Genfer Konvention, nicht einmal subsidiär schutzberechtigt und gewiss nicht die ärmsten Bürger ihrer Herkunftsländer. Mitte August plädierte Angela Merkel für die Wiederaufnahme staatlicher „Rettungsmissionen“. Doch der komplette „menschenrechtliche Imperativ“ (Kielmansegg) muss dann lauten: Seenotrettung ja! Weitertransport nach Europa nein! Das Buch blendet wie die anderen auch diese Feinheiten völlig aus, es ist ein ideologisches Produkt, das verordnete Gesinnungs- über selbstbestimmte Verantwortungsethik stellt. „Man könnte auch sagen: wer die Moral hat, hat das Recht. Das ist der Rückbau des Rechtsstaats zu einem Moralstaat der Mächtigen“, ärgert sich Ex-Verfassungsschützer Hans-Georg Maassen auf Twitter.
Böswillig könnte man sogar von einem „religiösen“ Produkt sprechen, denn für den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm hat Not keine Nationalität, und „egal, aus welchen Gründen Menschen in Not sind, wir haben die Pflicht, sie zu unterstützen und ihnen zu helfen.“ Das sagte er diese Woche bei der Vorstellung des Plans, ein eigenes Schiff zur Seenotrettung von Flüchtlingen ins Mittelmeer zu schicken. Nach gründlicher Prüfung habe man beschlossen, eine entsprechende Resolution des Kirchentages umzusetzen: „Es ist mehr als Symbolik, es geht um exemplarisches Handeln.“
Damit hat sie den Konsens, „die Kirche wolle nicht selbst Politik machen, sondern Politik möglich machen“, verlassen, kritisiert Ulrich Körtner, Professor für Systematische Theologie aus Wien, auf dem evangelischen Portal Zeitzeichen. Auch er betont: „Zivile Seenotretter und ihre Unterstützer rechtfertigen ihr Handeln keineswegs nur mit dem Willen, Menschen aus unmittelbarer Lebensgefahr zu retten, sondern auch damit, dass jeder Mensch das Recht habe, in ein Land seiner Wahl zu flüchten oder zu migrieren. Da es ein solches Recht juristisch nicht gibt, begründen sie es moralisch. De facto wird Rettung aus Seenot zum Eintrittsticket nach Europa“.
In genau diese quasichristliche Kerbe schlug schon Ende August Florian Westphal, Geschäftsführer bei „Ärzte ohne Grenzen“, in einem DLF-Interview: „Man sollte sich mal vorstellen, Seenotrettung auf der Nordsee oder Ostsee liefe so. Es werden Menschen gerettet und dann wird erst mal verhandelt mit jedem Hafen, ob sie dann dahin in Sicherheit gebracht werden. Das darf nicht die neue Normalsituation werden.“ Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, ärgerte sich Roger Letsch auf achgut. Denn Menschen, die auf Nord- oder Ostsee in Seenot geraten (und sich nicht absichtsvoll in dieselbe begeben), wollen jeden Hafen, in den sie sich gerettet hätten, so schnell wie möglich wieder in Richtung Heimat verlassen, weswegen ihnen überall Gastfreundschaft sicher wäre, einerlei ob in Stralsund oder Stockholm.
Die besonderen Gäste von Shuttles wie der „Sea Watch“ werden aber vor allem deshalb zum Verhandlungsgegenstand, weil sie nach der Anlandung eben nicht wieder nach Hause wollen. „Lassen Sie sich nicht einreden, dass es sich um Seenotrettung handelt. Diese Migranten sind keine Schiffbrüchigen und keine Flüchtlinge. Sie haben als einwanderungswillige Ausländer die Schleuserboote bestiegen, um von einem Shuttle-Service nach Europa gebracht zu werden“, weiß Maassen.
Aber auch dies wird inzwischen kinderliterarisch normalisiert: in Titeln wie „Vielleicht dürfen wir bleiben“ (Ingeborg Kringeland Hald) oder „Zuhause kann überall sein“( Irena Kobald/Freya Blackwood) oder Texten, in denen es heißt „Freunde müssen nicht dieselbe Sprache sprechen, um einander verstehen zu können“ („Mein Freund Salim“, Uticha Marmon). Rafik Schami publizierte schon 2003 „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“. Lustig darf das Ganze manchmal auch noch sein: der Held aus „Nusret und die Kuh“ (Anja Tuckermann/Mehrdad Zaeri/Uli Krappen) nimmt das überdimensionierte Haustier mit nach Deutschland, damit es auch lesen und schreiben lernt… Von da ist es dann nur ein kleiner Schritt hin zu Büchern wie „Bestimmt wird alles gut“ (Kirsten Boie/Jan Birck) oder „Ramas Flucht“ (Margriet Ruurs/Ali Badr), die gleich zweisprachig deutsch und arabisch verlegt wurden.
„Das ist auch eine Entwertung!“
Diese neue migrationsliterarische Strömung für Kinder ist aus mehreren Gründen zu problematisieren. Zum einen liegt natürlich der Schluss einer tagespolitisch konfektionierten Literatur nahe, die bestehende, überdies falsche Narrative legitimiert – statt kräftiger junger Männer etwa tauchen plötzlich Kinder und Familien auf. In der DDR-Forschung nannte man das „weltanschauliche Funktion“ von Literatur, vielleicht sollte man den Begriff reanimieren. Zum zweiten ist die völlig unkritische, mit Emotionalisierung gepaarte Heroifizierung ausländischer Gleichaltriger heikel, legt sie doch den Schluss nahe, dass es hierzulande solche Figuren nicht oder nicht mehr gibt. „Kinder lechzen nach Andersartigkeit, das ist Futter für ihre Fantasie“, sagt der Münchner Entwicklungspsychologe Hartmut Kasten der Zeit.
„Je weniger die Personen und Szenarien mit ihrem Alltag zu tun haben, umso intensiver setzen sie sich damit auseinander. Das liegt am Orientierungsreflex: Kinder richten ihre Aufmerksamkeit auf alles, was sie nicht kennen.“
Zum dritten werden mit solchen literarischen Handlungen einseitige Ordnungs- (bzw. Chaos-) vorstellungen transportiert: während bei Heimatthemen wie in Bauernhof-Büchern eine Rückkehr zum Ausgangszustand stattfindet, in der Menschen (und Tiere) ihren festen Platz haben, erklärt Hartmut Hombrecher von der Sammlung historischer Kinder- und Jugendliteratur der Uni Göttingen im Spiegel, führt hier oft ein neuer Zustand zu einem guten, aber eben fiktionalisierten, idealisierten Ende, dessen Realitätsgehalt unüberprüft bleiben muss. Damit hängt ein Rollenklischee sowohl auf Seiten der ausländischen Ankömmlinge als auch der inländischen Gastgeber zusammen, das der Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster im DLF als Subjekt-Objekt-Zielverschiebung bezeichnete:
„Als ‚Ich muss dich fördern, ich muss dich schieben, ich muss dich ziehen, so wie du bist, nein, das reicht mir noch nicht, du musst der werden, der du sein sollst‘. Das ist auch eine Entwertung!“
Viele dieser Texte lassen überdies ästhetisch zu wünschen übrig: zeichnen sich Kinderbücher aus dem skandinavischen und englischen Raum oft dadurch aus, Unterhaltung ernst zu nehmen und Ernsthaftes unterhaltsam zu machen, kommt hier das Ernsthafte meist auch (zu) ernst daher. Damit verbunden ist die Eindimensionalität, ja platte Oberflächlichkeit von Welt und Charakteren: Verfremdet wird selten, zur Vorsicht gemahnt oder gar gewarnt kaum.
Die Literaturwissenschaft nennt das „unzuverlässiges Erzählverhalten“, damit wird die Potenz von Literatur, nicht nur schwarz-weiß, sondern alle Farben und Nuancen wahrzunehmen, ins Gegenteil verkehrt. In der DDR-Kinderliteratur waren die erfolgreichsten Bücher jene, in denen ebenso konservativ wie zuverlässig das dramaturgische Prinzip der Heldenreise mit erfolgreicher Rückkehr im Alltag gestaltet wurde, etwa Benno Pludras „Bootsmann auf der Scholle“, Gerhard Holtz-Baumerts „Alfons Zitterbacke“ oder Bernd Wolffs „Alwin auf der Landstraße“; die allesamt auch verfilmt wurden.
Und zum weiteren trägt diese Strömung zur Verstärkung kognitiver Dissonanzen bei: den literarischen Erfahrungen vom armen, traumatisierten Flüchtlingskind als Kümmerfaktor stehen die realen Erfahrungen zunehmenden Mobbings, ja von Schulgewalt durch Flüchtlingskinder gegenüber. Allein in Sachsen, wo es keine Mobbing-Definition gibt (ein entsprechender AfD-Antrag wurde einstimmig abgelehnt) und darunter stattdessen Delikte wie Bedrohung (§ 241 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung(§ 187 StGB) oder Körperverletzung (§ 223 StGB) subsummiert werden, gab es nur 2017 laut Antwort auf eine Grünen-Anfrage insgesamt 4 570 solcher Straftaten mit Opfern unter 18 Jahren. Eine Einzelfallprüfung etwa nach Delikt und Täter, mit der, selbst wenn sie auf 30 Minuten beschränkt bliebe, bei einer 40-Stunden-Woche ein Sachbearbeiter über 57 Wochen befasst wäre, lehnte die Staatsregierung unter Verweis auf die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Polizeibehörden ab.
„Tendenz der Wirklichkeitsflucht“
Die mediale Thematisierung bundesweiter Gewalttaten durch Flüchtlinge ist da noch gar nicht berücksichtigt. Allein 2018 wurden insgesamt 265.930 Straftaten registriert, bei denen Asylbewerber, Geduldete oder Personen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, als Tatverdächtige ermittelt wurden, ergab eine AfD-Bundestagsanfrage. Davon 98-mal Mord, 261-mal Totschlag, 1082-mal Vergewaltigungen und sexuelle Nötigung/Übergriffe, inklusive 153 Versuche, diese Straftaten auszuführen, 3477-mal räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer sowie 16.929-mal gefährliche und schwere Körperverletzung. Bei diesen Zahlen sind ausländerrechtliche Verstöße wie illegale Einreisen nicht berücksichtigt. Die Länderrangliste der Herkunft der Tatverdächtigen wird angeführt von Syrien (25.328), gefolgt von Afghanistan (16.687) und dem Irak (10.225). Die Morde an Maria, Mia oder Susanna waren die traurigen Höhepunkte.
„Die Gefahr der modernen Gesellschaften ist heute nicht die Entgleisung ins Bestialische, sondern die ins Humanitäre“, weiß Alexander Meschnig. „Sie gehorcht einer tiefgreifenden Tendenz der Wirklichkeitsflucht – der Verdrängung und Verleugnung menschlicher Wirklichkeit aus Angst und Unvermögen im Umgang mit der Negativität des Seins.“ Und er orakelt spenglerhaft:
„Aber dies ist nicht nur ein Missverständnis von ‚Humanität‘, sondern ihre Selbstpreisgabe. Eine Gemeinschaft, die ihre Selbstachtung verliert, hat auch den Grund ihrer geschichtlichen Existenz verwirkt“.
Wie jede Literatur bietet auch Kinderliteratur, die sich spätestens seit der Wiedervereinigung von einer Sozialisations- zu einer kindgemäßen Literatur wandelte, „einen Anlass über die Welt und sich selbst nachzudenken, die Welt als Entwurf zu verstehen. Auf Ideen zu kommen, wie man auch denken oder fühlen kann“, meint die Frankfurter Literaturdidaktikerin Helene Becker in der Welt. Die Vereinseitigung dieser Perspektive erzeugt aber Entwürfe, die zu gleichem Denken führen. Das kann nicht im Sinne von Demokratie sein. „Einige Bücher soll man kosten, andere verschlingen und nur wenige kauen und verdauen“, schrieb einst Francis Bacon. Flüchtlingsfreundliche Kinderliteratur in Deutschland gehört zu den schwerverdaulichen, von deren Verkostung man mindestens eine Magenverstimmung davontragen mag.
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